Donnerstag, 30. August 2007

Unrealismus

Wer im Keller rumcheckt findet Gläser mit Mus. Das ist nichts schlimmes, es sei denn man hätte sich fest vorgenommen ein Bein abzuschneiden wenn man ein Musglas findet. Abgemacht ist abgemacht. Wenn man das Musglas findet muss das Bein jedenfalls weg. Wer diese Geschichte schon dämlich findet sollte sich mal folgendes zu Gemüte führen:

Gotthard Deuse heißt der Bürgermeister von Mügeln. In Mügeln hatte kürzlich ein angetrunkener Haufen (Hobby-)Schläger ein paar Inder ein wenig durch die Stadt gejagt. Dabei soll der eine oder andere Inder wohl ein wenig zu Schaden gekommen sein. So könnte es Herr Deuse formulieren. Jedenfalls wehrt er sich gegen Vorwürfe seine Stadt sei nazimäßig unterwegs. Das hatten unter anderem "Virgina Jetzt" anklingen lassen, die bei einem Protestkonzert vor ein paar Tagen einige viele, für Friedens- oder Linksaktivisten unübliche, Zwischenrufe bemerkten. Als der Bürgermeister dann die Schnitzeljagd als unbedeutenden Zwischenfall abwiegeln wollte, verließen Virgina Jetzt die Bühne (nach dem zweiten Song).

Liberal wie Gotthard Deuse (FDP) ist, kann er Vorwürfe wie diese natürlich nicht auf sich sitzen lassen, er kontert sehr interessant. Diese ganze Debatte sei darauf begründet zu: „Urteilen, ohne die Fakten zu kennen!" Et en plus: "Diese Definition passt auch auf Mügeln, insofern sehe ich Mügeln in der Tat als neues Sebnitz.“

Aha. In Sebnitz war anno 2000 übrigens ein 6-jähriger Junge von (wohl) Rechtsradikalen im Freibad ertränkt worden. Hm. Der Mann hat jedenfalls die richtige Kategorie getroffen. Sinnlose Gewalt gegen Unschuldige in Unterzahl. Komisch ist aber die gewählte Formulierung: Mügeln sei ein neues Sebnitz. Das klingt ein bisschen wie: "Mügeln darf kein neues Versailles werden!" oder auch "Seit gestern wird zurückgeschmissen!". Aber diese Rhetorik kommt unter Umständen nicht ganz von ungefähr und erfreut sich in der "Jungen Freiheit" eventuell bester Gesellschaft. (Aber eben nur rein hypothetisch, also theoretisch, solche Dinge kann man ja nicht Ernst meinen, alles nur bloße Überlegung). Herr Deuse hielt es nämlich für angebracht, dieses Medium zu wählen um die Unschuld seiner Ortschaft klarzustellen. (Zu seiner Verteidigung: er spricht sich darin klar gegen Gewalt aus, hält es aber für möglich, dass die Inder ihren Teil zur Schnitzeljagd beigetragen hätten. Also selbst bisschen Schuld, aber halt nicht angemessen zum Ausdruck gebracht von seinen Ortskameraden)

Mir fällt da die Geschichte mit dem Mus wieder ein. Ich finde Gotthard Deuse verhielt sich in etwa wie folgt: Er nimmt ein Glas Mus mit in den Keller und schreit dann: "Weit und breit kein Mus zu sehen!", schiebt sich das Glas in die Jackentasche und stapft die Treppe zurück hoch. Kurz bevor er das Erdgeschoss erreicht, verliert er das Glas, es zerschellt auf der Treppe, aber Herr Deuse stellt sich davor und meint mit ernster Miene: "Immer noch kein Mus!". Das ist so ironisch, das ist schon fast unrealistisch (die Musgeschichte!!) oder? Na bitte: Unrealismus.

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